Liebe Freunde und Förderer unserer Arbeit für die Kinder in Tansania!
Gestern bin ich nach fast fünf Wochen Tansania heimgekommen. Meine Frau Mareen hat mich zwei Wochen begleitet. Jetzt drängt es mich, euch zu berichten, denn ohne eure Unterstützung könnte den
Menschen dort nicht geholfen werden.
In den vier Wochen, in denen ich in Kilimahewa und unseren anderen Dörfern bin, warten jeden Tag Bittsteller auf mich. Todkranke Menschen, die kein Geld für medizinische Behandlung haben,
hungernde Kinder, verwahrloste Straßenkinder.
Die Auswahl wem man helfen kann und wem nicht, erinnert an die uns allen noch im Gedächtnis gebliebene Triage bei Corona, und fällt mir genauso schwer wie damals den Ärzten. Dieses „Nein“ sagen,
„Sorry but I can‘t help“, lastet mir immer so schwer auf der Seele, dass ich nach vier Wochen einfach heim muss, weil ich es nicht mehr ertragen kann. Aber Gott sei dank gibt es auch die andere
Seite, die glückstrahlenden Augen, wenn wir sehr viel Hoffnung schenken, weil wir die Operation bezahlen. Weil wir sehr viel Hoffnung schenken, weil wir die Schulgebühren übernehmen. Weil wir
sehr viel Hoffnung schenken, weil wir die Essenskosten für das Waisenhaus übernehmen oder den schwangeren Müttern eine Ultraschalluntersuchung ermöglichen.
Immer,
wenn ich in Daressalam lande und durch den Wahnsinnsverkehr nach Kilimahewa fahre fühle ich mich nach wenigen Kilometern heimisch. Das Geschrei der Straßenhändler, der unbeschreibliche Kreuz- und
Quer-Verkehr, die unglaublichen Menschenmassen, die Gerüche und die bunten Farben, das ist Afrika.
Mein erstes Treffen führt mich zum Deutschen Botschafter Thomas Terstegen, der gerade dem Kongo entkommen ist und jetzt die Botschaft in Daressalam neu organisiert. Ein befruchtender
Gedankenaustausch! Dann geht es nach Buza, einem Vorort, wo unsere Schule für behinderte Kinder inzwischen 40 Tagesschüler aufgenommen hat. Die Liste der Schwestern ist lang, was sie noch alles
bräuchten, aber sie sind sehr dankbar für unsere monatliche Zahlung des Essens für die Kinder und die Schwestern selbst.
Einen Moment denke ich, jetzt bist du wieder ganz am Boden angekommen. Draußen in den Dörfern werden behinderte Kinder noch heute umgebracht. Hier singen sie für dich „We are happy“, was mich zu
Tränen rührt, wenn ich zu den Kindern auf Krücken und in den Rollstühlen schaue.
Straßenkinder sind Wegwerfkinder
Und dann geht es noch eine Stufe tiefer, in den Abgrund menschlichen Daseins. Kinderaugen schauen mich an, aus denen jeglicher Glanz erloschen ist. Sie sitzen apathisch im Straßengraben, reden
auch nicht mit Ihresgleichen, haben aufgegeben, stochern im Müll unter den Karren der Straßenhändler um etwas Essbares zu finden. Es tut mir leid, ich bin schon acht Jahre in Tansania und habe
nicht gewusst, dass es allein in Daressalam 430.000 Straßenkinder gibt. Sie wurden buchstäblich weggeworfen.
Ich bin mit dem festen Vorsatz gekommen, diesmal keine neuen Projekte anzufangen, weil die auch in Deutschland zurückgehenden Spenden dafür einfach nicht ausreichen. Aber dann führt mich der
Plan, den ich nicht verstehe, aber immer wieder spüre, zu Ezechiel in Kimanzichana. Ein wunderbarer Mensch. Selbst als Waisenkind bei einer Tante aufgewachsen, hat er auf ihrem Grundstück in
einem unbewohnten Haus ein Waisenhaus für Straßenkinder gegründet, das „House of the Lord“. Für zehn Kinder reichte sein Geld und das seiner Tante. Aber 25 sind inzwischen da und er konnte
einfach nicht Nein sagen. Jetzt gehen die Kinder hungernd zur Schule, weil kein Geld für Frühstück da ist. Wir gehen durchs Haus und sind erschüttert. Gestank nach Urin, zerfledderte Matratzen,
eine Küche aus drei Steinen, kein Strom, kein Wasser. Der Unterschied zur Straße ist das Dach über dem Kopf und Ezechiel, der von einem kleinen Shop in Dar lebt, den seine Frau betreibt, und drei
Tage in Kimanzichana ist und sich um die Straßenkinder kümmert
Vorsatz hin oder her, hier sind wir gerufen und müssen neben unserem Waisenhaus in Imiliwaha eben ein zweites unter unsere Fittiche nehmen. Als erstes organisieren wir, dass unsere Bäckerei in
Kilimahewa jeden Tag 60 Semmeln als Frühstück bringt, was mit unglaublicher Freude von den Kindern aufgenommen wird! Dann kaufen wir die ersten zehn neuen Matratzen und ab Juni erhält Ezechiel
von uns jeden Monat eine Million Shilling, 350 Euro, um das Essen für die 25 Kinder zu bezahlen und sie in die Schule zu schicken. Ich zähle jetzt nicht auf, was wir noch alles brauchen und was
wir uns da aufgeladen haben. Das Haus muss grundlegend saniert werden, wir brauchen Strom und Wasser, neue Möbel, neue Kleidung, einfach alles. Immer wenn mir ganz schlecht wird vor der Größe der
Herausforderung, denke ich an meinen Bischof Henry Mchamungu, der meint, das sei alles Gottes Plan, dass ich dorthin geschickt worden sei und er werde mich dort auch nicht allein
lassen!
Mareen weist mich darauf hin, dass alle Kinder, die wir sehen, so traurig, so ruhig, so traumatisiert sind. Sie bräuchten professionelle Hilfe von einer ausgebildeten Kraft. Ezechiel wüsste eine
diplomierte Sozialarbeiterin, aber sie fordere 150 Euro im Monat um ins Waisenhaus nach Kimanzichana zu ziehen (sie kommt von Arusha am Kilimandscharo!) und da sehe er keine Chance. Wir schon.
Sie fängt am 1. Juli an.
Hoffnung für Jacinta, sie ist das Kind der sechsten Frau eines Massai. Als er stirbt, wird die Mutter davongejagt, weil sie keine Massai ist, als die Mutter stirbt, landet Jacinta auf der Straße.
Hoffnung für Joyce, schon deren Mutter wurde auf der Straße geboren, sie ist bei einer Vergewaltigung entstanden, ihre Mutter starb bei der Geburt. Ich habe alle 25 Schicksale vorgestellt
bekommen, sie klingen alle gleich. Unschuldige Kinder wurden weggeworfen und sind zu Straßenkindern geworden. Es ist eine große Aufgabe, aber heißt unsere Stiftung nicht „Future for Children“
genau für solche?
Große Herausforderung Kilimahewa
In einer ganz anderen, geordneten Welt, befinden wir uns in Kilimahewa. Alles, was die Benediktiner dort seit 30 Jahren aufgebaut haben, hat Bestand und wächst und gedeiht. Dabei wurde nur ein
großer Fehler gemacht: Niemand hat daran gedacht, dass die Spenden eines Tages weniger werden könnten und man eigene Einnahmen braucht, um zu überleben. Jedes Kloster in Tansania hat Einnahmen.
Meistens eine große Farm und Lebensmittel zu produzieren in einem Staat wo die Bevölkerung explodiert ist sehr lukrativ. Dann haben alle eine Schule, weil Privatschulen von allen vermögenden
Eltern gesucht sind, weil die staatlichen so katastrophal sind, und man mit diesen Schulen richtig gutes Geld verdienen kann. Und dann haben sie natürlich die bezahlte Arbeitskraft ihrer
Schwestern und Mönche, die als Lehrerin, Krankenschwester oder Arzt arbeiten und 75% ihres Gehaltes an den Orden abliefern. Kilimahewa hat nichts davon. Keine Farm, keine Schule (weil Bruder
Markus sie den Benediktinerinnen von Imiliwaha übereignet hat) und schon gar kein Einkommen von Mönchen, im Gegenteil, wir müssen jeden Angestellten bezahlen.
Als mich Abt Christian und Erzbischof Thaddaeus 2024 mit der Nachfolge von Bruder Markus in Kilimahewa betraut hatten, war mir sofort klar, dass unsere Stiftung bei der Vielzahl der Projekte
nicht auf Dauer 150.000 Euro jährliche Kosten der Missionsstation tragen kann. Dafür sind unsere Spenden nicht gedacht. Wir wollen Leben retten und Kindern eine Zukunft geben und Flucht durch
Hilfe vor Ort verhindern, aber nicht auf Dauer 70 Angestelltengehälter bezahlen. Jetzt könnte man die natürlich entlassen oder stark verringern, aber so einfach ist das nicht. 16 bewachen alleine
Tag und Nacht die Brunnen. Entlässt man sie, sind die Pumpen weg und es gibt kein Wasser mehr. Stoppt man Internet, gibt es keine Verbindung mehr zur Außenwelt, Fuhrpark, Diesel, Strom,
Handwerker usw. alles hat seine Berechtigung und ist notwendig, wenn man Kilimahewa am Leben erhalten will. Also bleibt nur ein Weg: Einnahmen schaffen.
Nachdem die drei üblichen Einnahmequellen wie beschrieben nicht oder nicht mehr in Frage kommen, habe ich mich entschieden, andere Geschäftstätigkeiten aufzubauen: Ein Shoppingcenter mit
Supermarkt und Getränkegroßmarkt, eine Näherei und eine Bäckerei. Und natürlich unsere Schreinerei, die topmodern ausgestattet ist (das letzte große Werk von Bruder Markus!) voll
auszulasten.
Wie überall gibt es auch in Tansania die Bedenkenträger. Ich solle keine Bäckerei machen, weil die Menschen hier kein Brot essen. Warum sehe ich dann in Daressalam an jeder Ecke eine
Bäckerei?
Und jetzt beginnt eine sehr schöne Geschichte. In Stichworten: Pfarrer verkündet bei Messe Franz sucht drei Bäckerlehrlinge. 40 melden sich. Einer ist Master of Social Sciences der Universität
Daressalam und ohne Job. Ihn und zwei andere schicken wir zu einer Bäckereischule in Dodoma für sechs Monate. Am 1. Februar kommen 25 Liter Teigmixer, Gasbackofen und Gärschrank und wir holen
unsere Lehrlinge zurück. Sie erhalten 100 Euro Monatslohn und legen los. Zwei Wochen später meldet sich ein Händler, der mit Moped bisher aus Dar die Produkte geholt hat, er will bei uns kaufen.
Dann kauft Direktorin Rita für ihre Schule, dann Hospitalchefin Sr Esther, dann Sr Anna für ihre Kindergärten. Ergebnis: Ende Mai liefern wir jeden Tag 2.000 Semmeln und müssen sofort alle drei
Maschinen verdoppeln und den vierten Bäcker aufnehmen. Noch in diesem Jahr werden wir mit unserer Bäckerei Geld verdienen! Aber das Schönste, Abuu, unser Master, leitet die Bäckerei ganz
souverän, kennt jede Kalkulation, jeden Inhaltsstoff, jeden Materialpreis. Und er träumt von Verkaufsstellen in den umliegenden Dörfern. Er stammt aus einer ganz armen Familie in Kilimahewa. Als
sein Vater starb, war er mitten im Studium. Seine Mutter verkaufte Felder, um sein Studium fertig zu finanzieren. Jetzt ist sie die stolzeste Mutter von ganz Kilimahewa!
Und doch noch ein neues Projekt
Und die Geschichte geht weiter. Nach wenigen Wochen stauen sich bei uns die Mopeds vor dem Shoppingcenter. Es sind lauter Kleinhändler, die Wasser und Limonaden kaufen so viel wie auf das Moped
passt und sie in die umliegenden Dörfer transportieren. Auch der Supermarkt wird von der Bevölkerung gut angenommen. „Kilimahewa auf dem Weg in die Zukunft“ strahlt Bürgermeister Walter Mapunda.
Voll ausgelastet bis Weihnachten ist unsere Schreinerei. Für das neue Gymnasium in Dodoma, das im Herbst in Probebetrieb geht, fertigen wir Schulmöbel für 450 Schüler. Dazu Kirchentüren,
Dachstühle, Fenster und Türen für andere Projekte. Die fünf Schreiner bilden jetzt auch zwei Lehrlinge aus. Mein Traum ist, dass wir von 150.000 Euro Kosten in zwei Jahren 75.000 selbst
erwirtschaften und nachdem ich vier Wochen beinahe täglich alle Arbeiten und Arbeiter beobachtet habe steigt mein Optimismus, dass wir das schaffen werden. If you can dream it, you can do
it.
Ganz ohne Spenden wird es nie gehen. Die Kindergärten werden nie Geld erwirtschaften, aber sie sind enorm wichtig. Bildung allein ist der Schlüssel zu einem besseren Leben in Tansania und Bildung
beginnt im Kindergarten. Ich muss lachen, als mir Sr Anna erzählt, dass Dienstag und Freitag immer alle 400 Kinder hier sind, an den anderen Tagen weniger. Und warum? Weil es da die Semmeln
unserer Bäckerei gibt! Dann hat sie noch ein großes Anliegen. Es gibt da ein kleines Dorf, tief im Busch, mit Namen Kikoo. Vor Jahren hat dort ein anderer Hilfsverein, die Frankenhilfe Tansania
zusammen mit Pater Beda einen Kindergarten gebaut, der verwaist war als Pater Beda nicht mehr konnte und Bruder Markus ihn nicht weiterführen wollte. Etat könne man ihn doch wiederbeleben,
vierzig Kinder würden darauf warten.
Also fahren wir hin. Es ist Regenzeit und selbst für meinen Jeep an der Grenze des Möglichen die Straße zu schaffen. Dann kommen wir auf eine Urwaldlichtung und stehen vor einem
Kindergartengebäude, das noch gut in Schuss ist. Und die Überraschung: Sr Anna hat schon im Oktober mit einem Lehrer den Kindergarten wieder angefangen. Die Kinder sind begeistert, aber ihr
Lehrer hat sechs Monate kein Geld gesehen, weil Anna gewartet hat bis ich komme. Jetzt muss ich also entweder das Ganze beenden oder unseren fünften Kindergarten (Kilimahewa, Kisegese,
Kimanzichana, Mwarusembe, Kikoo) akzeptieren und finanzieren. Laut Bishof Henry wird mir Gott helfen. Und tatsächlich: Ich poste auf meinem WhatsApp Status die vier Wochen, die ich in Tansania
bin, jeden Tag Fotos und Videos von meinen Erlebnissen. Über hundert Menschen folgen mir täglich. Und als die Story von Kikoo online geht, kommen sofortige Spendenzusagen, die den Betrieb
ermöglichen.
Wieder in Kilimahewa wartet mein Chauffeur Godi mit einem Anliegen. Er braucht 1.000 Euro Kredit um einen Fischweiher zu betreiben. OK, wenn alle Fische nur bei uns im Supermarkt verkauft werden,
mit zehn Prozent Aufschlag. Das Gleiche hat ein Wächter vor, er will Schweine züchten und einen Schweinestall bauen. 2.000 Euro als Kredit mit Tilgung vom Lohn, wenn alles Fleisch nur bei uns im
Supermarkt verkauft wird. Als ich im Juni wegfahre sind die ersten Fische bei uns im Supermarkt angeliefert und sofort ausverkauft. Kilimahewa hat 8.000 Einwohner und die nächsten Geschäfte sind
im fünf Kilometer entfernten Kimanzichana. Da ist man dankbar, wenn man sich den langen Fußweg spart.
Aus Analphabeten werden Leseratten
Obwohl ich diesmal nicht die große Rundtour um Tansania machen wollte, die mich 3.500 km im Jeep zu allen unseren Projekten führt (die mache ich wieder im Oktober) musste ich natürlich Kibindu
besuchen. Das spannende Projekt schafft eine Schule im Wald beim Stamm der Magnati, die als Analphabeten im Wald jagen, aber von denen einige durch den Militärdienst den Aufstieg geschafft haben
und jetzt wollen, dass ihre Kinder Lesen und Schreiben lernen. Es ist unglaublich, was hier seit zwei Jahren entstanden ist. Bei meinem ersten Besuch fand der Unterricht im Freien auf dem
Waldboden statt. Jetzt sind fünf Klassenzimmer und ein Lehrerbüro und Toiletten fast fertig und unsere Schreinerei hat alle Hände voll zu tun, um mit den Schulmöbeln fertig zu werden. Isidori ist
einer der Gründungsväter und jetzt Direktor des Projekts. Auch er ist überzeugt, dass ihre Gebete mich zu ihnen geführt haben.
“Du siehst hier das Wunder von Kibindu“ schwärmt er. Die Leute kämen von allen Richtungen um dieses Wunder zu bestaunen. 270 Kinder hat er jetzt, sie laufen am Morgen bis zu zehn Kilometer durch
den Wald, um zur Schule zu kommen.
Sie haben Mais angebaut um mit dem Verkaufserlös die vier Lehrer bezahlen zu können. Jetzt hat er plötzlich Tränen in den Augen. „Ich darf ihnen das noch nicht sagen. Sie werden im August nicht
das versprochene Gehalt für ein halbes Jahr erhalten, weil der viel zu lange Regen die Ernte vernichtet hat.“ Was soll ich da anderes tun, als ihm das Geld zu schicken? Ich kann die Truppe doch
nicht im Stich lassen, die so Unglaubliches leistet.
Egal wie viele Spenden ich bekomme, es ist immer zu wenig. Aber ich habe gelernt, dass ich das tun muss, was ich tun kann. Und nicht daran zu verzweifeln, was ich alles nicht tun kann. Wir haben
die letzten acht Jahre 2,5 Millionen Euro als Future for Children nach Tansania schicken können. Und jeder Euro wurde persönlich entschieden und überwacht. Das bin ich euch allen schuldig. Ich
werde auch diesmal nicht um Spenden betteln. Es gibt keine treueren Unterstützer auf der ganzen Welt als die 1.100 Menschen, die diesen Newsletter erhalten, weil sie uns unterstützt haben. Möge
der Herrgott euch Gesundheit schenken. Genießt den Urlaub wo immer ihr ihn verbringt! Ich werde auch meine Batterien im Kreis der Familie aufladen und dann Anfang Oktober wieder nach Tansania
aufbrechen. So wahr mir Gott helfe!
Asante Sana!
Euer Franz Hirtreiter